Jugendwerkhöfe in der DDR
ein dunkles Kapitel sozialistischer Heimerziehung


 

 

Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau

"Kennst Du die Stadt,
in der die Sonne nie lacht,
das ist Torgau,
wo man aus Menschen
Idioten macht."
(Zelleninschrift im Geschlossenen Jugendwerkhof in Torgau)

Ein Haus der Jugendhilfe

Gebäude des Geschlossenen Jugendwerkhofs, Verwaltungstrakt mit Schleusenbereich, um 1978

In diesem Gebäude befand sich der einzige Geschlossene Jugendwerkhof in der DDR. Eine Anstalt, die Jugendlichen Disziplin lehren sollte und direkt dem Ministerium für Volksbildung und somit der Ministerin der Volksbildung, Margot Honecker, Ehefrau von Erich Honecker, unterstand. Vom 1. Mai 1964 bis zum Ende der Einrichtung am 11. November 1989 kamen über 4000 Jugendliche nach Torgau zur „Anbahnung eines Umerziehungsprozesses“. Das Mindestalter lag bei 14 Jahren, was aber oft nicht eingehalten wurde und die Jugendlichen waren bis zu 18 Jahren alt. Diese Jugendlichen waren vorher in einem der Erziehungseinrichtung negativ aufgefallen, hatten jedoch nie eine wirkliche Straftat begangen und wurden ohne richterlichen Beschluss und ohne eine Anhörung der Eltern eingewiesen. Das verstanden die Jugendlichen oft nicht, genauso wie Anja im Buch „Weggesperrt“: „Es konnte doch nicht sein, dass sie sie in ein Gefängnis steckten!? Ohne ein Urteil!? Ohne eine Verhandlung? Ohne einen Richter? Einfach so?“ (S.175 f.) Einmal eingewiesen, sollte das Verhalten komplett verändert werden und man wollte erreichen, dass sich die Jugendlichen den „sozialistischen Lebensnormen“ unterordnen. Erreichen wollte man dies durch parlamentarischen Drill und eiserne Disziplin erreichen.

Gruppenbereich 1. Etage, um 1978

Hofbereich mit Sturmbahn, um 1978

Äußerlich glich der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau einem Gefängnis. Durch hohe Mauern, den Wachtürmen, den Diensthunden und vergitterten Fenstern waren die Jugendlichen komplett von der Außenwelt abgeschnitten, was sicherlich auch so beabsichtigt war, denn schließlich diente der Gebäudekomplex vor der Übernahme durch die Jugendhilfe und nach mehrfachen Veränderung als Gefängnis.

Gruppenbereich 1. Etage, um 1978



Hofbereich der Mädchen, um 1978

Hofbereich Jungen, um 1978

Im Jahre 1996 verkaufte die Treuhand-Liegenschaftsverwaltung die seit 1990 leer stehende Immobilie an einen Investor. Der baute alles um zu einer Wohnanalage, wo zwar die Bausubstanz erhalten blieb, der Charakter des Gebäudes aber vollkommen verändert wurde. Die „Erinnerungs- und Begegnungsstätte im ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau“ wurde im 1998 eingerichtet.

Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau wurde im Zuge einiger Neuerungen der Heime der Jugendhilfe im Jahre 1963/1964 geschaffen, um „schwererziehbare“ Jugendliche, die es nicht schafften, sich in den anderen Heimen anzupassen, Disziplin beizubringen. Diese konnten für bis zu sechs Monaten eingewiesen werden. Die Wahl des Standorts fiel auf Torgau, da sich dort das seit 1952 bestehende Torgauer Haftgebäude Fischerdörfchen befand, wo es zuvor eine Strafvollzugsanstalt gab. Die Sicherheitseinrichtungen kamen den geplanten Erziehungsmaßnahmen gerade recht, so dass man das Gebäude schließlich dem Ministerium für Volksbildung übergab.

Im Februar 1964 begann man mit etlichen Umbauarbeiten, damit Produktions- und Aufenthaltsräume geschaffen wurden. Schon wenige Tage nach der Eröffnung am 1. Mai 1964 trafen die ersten Jugendlichen aus dem Jugendwerkhof Bad Blankenburg ein. Bis zu seiner Schließung im Herbst 1989 wurden 4.046 Jugendliche nach Torgau gebracht.