Jugendwerkhöfe in der DDR
ein dunkles Kapitel sozialistischer Heimerziehung


 

 

Alles im Kollektiv

Der Jugendwerkhof Torgau nahm 60 Jugendliche auf, aufgeteilt in zwei Jungengruppen und einer Mädchengruppe. Doch jeglicher Kontakt zwischen Jungen und Mädchen war strengstens verboten, sogar Blickkontakt wurde schwer bestraft. Noch 1989 waren 40 Leute für die Jugendlichen zuständig. Dazu gehörten der Direktor, 17 Erzieher und 22 Angestellte.

Der Alltag im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau ließ keine Freiheiten, im Gegenteil: Die Jugendlichen wurde eingeengt. Alles musste in der Gruppe gemacht werden und der Umgangston war militärisch. Zwischenmenschliche Beziehungen waren äußerst selten. Auf dem Anstaltsgelände und innerhalb des Gebäudes durften die Jugendlichen sich nur im Laufschritt bewegen. Die Wochentage waren gleich aufgebaut:

  • Wecken um 5.30 Uhr

  • Frühsport

  • Frühstück

  • Anhören der Nachrichten mit anschließenden Kontrollfragen

  • Vormittags bis mittags: produktive Arbeit oder Unterricht

  • Reglementierte Freizeit

  • Nachtruhe um 21.00 Uhr

An den Wochenenden wurde erst um 7.00 Uhr geweckt und die Arbeit bzw. der Unterricht wurde durch das geregelte Freizeitprogramm ersetzt.

Die „Arbeitsordnung“ schrieb jeden Handgriff vom Wecken bis zur Nachtruhe vor. Ob Schuhe putzen, Bettenbau oder Ablage der Kleidung – alles stand unter Beobachtung. Ohne die Anordnung der Erzieher durfte sich im Speisesaal keiner setzten, die Jungen durften sich nicht rasieren, sogar Toilettengänge waren zeitlich geregelt. Die Länge der Fuß- und Fingernägel wurde jeden Sonnabend kontrolliert.

Die Freizeitgestaltung orientierte sich nach den Normen des sozialistischen Zusammenlebens. Körperliche Betätigung war dabei vordergründig. Jegliche Art von musischer Betätigung fehlte und eine eigene Entfaltung und Selbstinitiative wurde keineswegs gefördert. Vielmehr war der Sport von militärischem Drill bestimmt, was schon eine gewisse Vorbereitung für die Militärausbildung dienen sollte. Sport wurde sogar zur Bestrafung eingesetzt.

Putzen und Reparaturen am Gebäude zählten zur Freizeitgestaltung. Freie Bewegung am Hof, Ausgang oder Exkursionen waren nicht vorgesehen.

An den Wochenenden mussten Briefe an die Eltern oder Jugendfürsorger geschrieben werden, die aber reichlich zensiert wurden. Schreiben an Freunde war nicht gestattet. Besuchsanträge seitens der Eltern durften zwar gestellt werden, wurden aber nur bei äußerst gutem Betragen gestattet. Außerdem dauerten die Treffen höchstens eine Stunde und es war immer ein Erzieher mit im Raum, so dass ausgeschlossen war, dass der Jugendliche seinen Eltern irgendetwas gegen die Erziehung in Torgau sagen konnte. Geschenke durften keine mitgebracht werden. Auch hier erinnert vieles wieder mehr an ein Gefängnis, als an ein Kinderheim.